Wege und Möglichkeiten die knappe Freizeit zu genießen - Kindheitserinnerung
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0.000 HBDWege und Möglichkeiten die knappe Freizeit zu genießen - Kindheitserinnerung
## Dieser Post war eigentlich als Beitrag zu #Kindheitschallenge gedacht. (Einer Idee von @john-borchert und @yaraha folgend.) Vielleicht habe ich die Teilnahmebedingungen nicht wirklich verstanden oder was auch immer. Jedenfalls habe ich gerade festgestellt, dass mein Beitrag nicht erwünscht ist - was natürlich nicht heißt, dass ich ihn euch vorenthalten möchte. <br> ### Mal sehen, was damals so spannend war ... # Uns jedenfalls fiel da immer was ein. <br> Es ist einer jener Mai-Tage, die zum reinen Genuss im Freien einladen. Angenehme 23 Grad, sonnig und trocken. Eigentlich ideal, um den Feierabend auf der Terrasse, dem kleinen Stück eigenen Rasen oder auf dem Balkon zu genießen. Dies sähe in seiner logischen Konsequenz und bis zum Ende ausgedacht, wiederum so aus: Füße hochlegen, Flasche Bier öffnen und nichts Weltbewegendes erledigen, außer gedanklich kurz und schmerzlos die ganze Regierung abzusetzen. Sehr reizvoll, jedoch überhaupt nicht kompatibel mit all dem, was in unserer Tagesplanung vorgesehen ist. Wir, das sind Klaus, Kurt und ich. Freunde seit frühesten Kindheitstagen, gemeinsame Kindergarten-Rabauken und jetzt Grundschüler in der 4. Klasse. Selbstverständlich in der gleichen Klasse und mit dem Ziel im nächsten Jahr auf das Gymnasium zu wechseln. Doch das ist heute kein Thema. Ehrlich gesagt, eigentlich ist es nie Thema. Denn was erst im September passiert, ist im Mai mit Sicherheit keinen Gedanken wert.  Wichtigkeit besitzt im Augenblick das, was Klaus gerade in seiner Hand hält und unter Zuhilfenahme eines kleinen, verdorrten Zweiges zur Fortbewegung animieren möchte. Eine Nacktschnecke, die durch Zufall vor ein paar Minuten genau dort über den Rasen vor unserem Haus glitt, auf dem wir dabei waren Fallrückzieher im Stile eines Uwe Seeler einzuüben. Doch kaum hatte Klaus die Schnecke gesichtet, lag die Lederkugel auch schon achtlos zwischen den Frühlingsblumen und die ganze Aufmerksamkeit richtet sich zu 100 % auf das schleimige Objekt, das Klaus auch jetzt noch zu einem bemerkenswerten Zwischensprint überreden möchte. Kurt und ich dagegen starren nur gespannt auf das, was da gleich passieren könnte. Irgend etwas wird passieren. Da sind wir uns einig, denn dafür kennen wir Klaus lange genug. Gelangweilt auf winzige Muskelzuckungen zu warten, ist mit Sicherheit nicht dessen Ding. Weil aber der Schnecktus nackticus sich den Befehlen oder Wünschen seines neuen Herrchens widersetzt, beendet Klaus seine Zirkusvorstellung ebenso schnell, wie er sie ins Leben gerufen hat und eröffnet stattdessen ein lukratives Wettbüro. „Wer von uns kann und traut sich überhaupt das Ding am längsten auf seiner Zunge marschieren lassen? Wer gewinnt, darf sich von den Verlierern 4 Glasmurmeln aussuchen.“ Das ist wieder typisch für unseren Kumpel. Anstatt uns mit in die Aufgabenstellung einzubeziehen, kommt er um die Ecke, gibt die Wette vor und legt auch gleich die Gewinnquote fest. Aber auch nur, weil er genau weiß, dass weder Kurt noch ich diesen Schleimbeutel je auf unserer Zunge Auslauf gewähren würden. Ganz im Gegensatz zu Klaus. Der kotzt tatsächlich nur nach dem Genuss von Frischmilch. Das weiß er auch ganz genau. Trinkt sie aber trotzdem. Nur weil er es nicht ertragen kann, zuschauen zu müssen, wenn Kurts Mutter eine kurze Spielunterbrechung nutzt, um uns ein Glas Kakao einzuflößen. Für Klaus stünde in solchen Fällen zwar ein Glas Orangensaft oder Tee bereit, aber die eifersüchtige Knalltüte gibt sich erst zufrieden, wenn auch er den Kakao-Schnurrbart als Zierde trägt. Spätestens 10 Minuten später kotzt er wieder alles auf die Wiese, auf der normalerweise der Lederball oder die Glasmurmeln rollen.  Doch zurück in frisch eröffnete Wettbüro. Mein Vorschlag wäre gewesen, die Schnecke im Briefkasten von Herrn Pistorius zu versenken, der zwei Häuser neben uns wohnt und vom Briefträger jeden Tag mit Briefsendungen überhäuft wird. Darüber Schleimspuren zu ziehen, dürfte bei dem alten Nörgler auch keine Jubelarien hervorrufen. Aber ich werde ja nicht gefragt. Genauso wenig wie Kurt, der mit dem spannenden Wettkampf zwischen einer Weinbergschnecke und einer Nacktschnecke angeregt hätte. Beide Akteure natürlich festgezurrt auf jeweils einem seiner Spielzeugautos, die er bei sich zu Hause wie einen Schatz in einer großen, hölzernen Kiste hütet. Kurt und ich lehnen es unmissverständlich ab, unsere hart erspielten Glasmurmeln einem erfolglosen Schneckenanimateur einfach so zu überlassen. Klaus schließt leicht angesäuert darauf auch das Wettbüro und bietet noch folgende Alternative an: „Wer will mal sehen, wie eine Schnecke von innen aussieht? Ich habe zufällig mein Taschenmesser dabei.“ Ich sehe wie Kurt den Ball aus dem Blumenbeet fischt, ohne auf eines der Stiefmütterchen zu treten. Während ich versuche den Schlaf aus meiner Beinmuskulatur zu vertreiben, der es sich während der Schnecken-Vorstellung in meinem rechten Bein bequem gemacht hat. Klaus macht einen eher unzufriedenen Eindruck. Er hat sich offenbar doch ein wenig mehr Begeisterung für seine innovativen Forschungsansätze erhofft. Das Taschenmesser bleibt in der Hosentasche, die Schnecke wird dort wieder abgesetzt, wo sie eigentlich gerade herkam und wir konzentrieren uns wieder ganz auf Uwe Seeler. 